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"Vordrängeln ist angesagt"

Ursula Vranken, Institut für Personalentwicklung und Arbeitsorganisation

Ursula Vranken ist Diplom-Arbeitswissenschaftlerin und Geschäftsführerin des IPA – Institut für Personalentwicklung und Arbeitsorganisation sowie des "Digital Leadership Summit" in Köln. Im Interview erklärt sie, warum es wichtig ist, dass Mädchen und junge Frauen sich auch mal vordrängeln und auf sich selbst aufmerksam machen.

Girls'Day: Liebe Frau Vranken, warum finden Sie den Girls'Day wichtig?
Ursula Vranken: Der Girls'Day öffnet Mädchen im besten Sinne die Augen und gibt ihnen Selbstvertrauen. Denn für Mädchen ist die Berufswahl immer noch besonders schwierig. Trotz guter Noten in Mathe, Bio und Chemie ergreift nur ein Bruchteil der Mädchen die sogenannten MINT-Berufe in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Gründe dafür sind nicht nur Männer-Netzwerke, die sich gegenseitig stützen: Oft haben die Mütter, die ihre Töchter bei der Berufswahl beeinflussen, selbst wenig Erfahrung mit MINT-Arbeitsplätzen und empfehlen sie deshalb nicht. Es fehlt der Mut. Deshalb: neue Horizonte mit tollen Angeboten für die persönliche Weiterentwicklung – das ist ein gutes Argument für den Girls'Day.

Ihre Empfehlung ist "Vordrängeln ist angesagt" – warum?
Wir leben in einer Welt des Eigenmarketings. Egal ob wir das wollen oder nicht. Wer in einer immer lauteren Welt nicht aufzeigt, bleibt sitzen und muss nehmen, was übrigbleibt. Mädchen und Frauen sollten sich aber – genau wie Männer – das beste Stück vom Kuchen abschneiden. Dazu muss man auch mal schnell sein oder als Erste an der Ausgabetheke stehen. Ich propagiere keine Rücksichtslosigkeit, aber es spricht nichts dagegen, als Erste in der Schlange zu stehen oder auf sich selbstbewusst aufmerksam zu machen. Männer beherrschen das schon lange.

Netzwerken – wie wichtig ist das überhaupt?
Ohne Netzwerken geht auf Dauer nichts. Das ist übrigens nicht nur eine Folge neuer Technologien: das Treffen mit den Freundinnen, das Nachbarschaftsfest, der Absacker mit den Kolleginnen und Kollegen – alles das ist ja schon Netzwerken. Neu ist: Heutzutage sucht und findet man tolle Expertinnen und Mitarbeiterinnen nicht nur im persönlichen Kontakt, sondern auch im Netz. Der Großteil der Stellensuche läuft z.B. über soziale und Business-Netzwerke. Sie müssen sicher nicht den ganzen Tag surfen oder Bilder vom Essen, von der Party oder Urlaub posten. Immer dran denken: potenzielle Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber könnten diese Fotos auch sehen ... Wichtig ist ein berufliches Netzwerk wie Xing oder LinkedIn. Die sind in der Geschäftswelt Standard. Für die Jobsuche genauso wie für interessante Nachrichten und Hintergründe.

Wie machen das junge Frauen, die noch gar kein Netzwerk haben? Wie baut "Frau" mit den richtigen Leuten Netzwerke auf?
Die junge Generation "netzwerkt" in der Regel schon mehr als sie selbst glaubt. Facebook ist ja heute schon "old school". Instagram ist angesagt. Wichtig ist es, diese private Vertrautheit mit den digitalen Medien für sich auch beruflich zu nutzen. Also Schritt für Schritt zu schauen: Wer sind wichtige Menschen aus der Branche? Und sich mit diesen zu vernetzen. Oder: Gibt es Freunde, die bei einer der Wunsch-Firmen arbeiten und einen weiterempfehlen können? Auch Veranstaltungen, die von Unis oder Berufsverbänden angeboten werden, lohnen sich zum Start. Genauso wie Jobmessen und Karrieretage. Visitenkarten sind übrigens noch nicht out im Geschäftsleben. Die kosten nicht viel und können auf Veranstaltungen ausgelegt werden.

Der Girls'Day bietet während der Schulzeit die Möglichkeit, verschiedene Berufe kennenzulernen. Was müssen junge Frauen bei einer Bewerbung für einen (Ausbildungs-)Beruf beachten?

  1. Online ist das Gebot der Stunde. Es sei denn, der Arbeitgeber wünscht es anders. Den richtigen Kanal verwenden (postalisch, per E-Mail, Online-Portal). Bei Initiativ-Bewerbungen am besten über die Web-Karriereseite des Unternehmens bewerben. Das zeigt: Sie haben sich mit dem Unternehmen auseinandergesetzt – oft gibt es dort auch schon vorgefertigte Bewerbungsmasken, die man schnell und einfach ausfüllen kann.
  2. Qualität in Sprache, Rechtschreibung und Tonalität. Der Ton muss zum Arbeitgeber passen. Es macht einen Unterschied, ob man sich bei einem coolen Start-up bewirbt oder bei einem großen Konzern. Freiheit von Tipp- und Schreibfehlern, richtige Kommata und verständliche Sätze gelten für alle. Lieber etwas zu seriös als zu "flippig". Und vollständig sollte die Bewerbung natürlich auch sein (Anschreiben, Lebenslauf, Zeugnisse, Zertifikate).
  3. In der Kürze liegt die Würze. Personaler haben nicht viel Zeit und wollen schnell sehen, ob man die richtige Kandidatin ist. Also auf lange allgemeine Floskeln oder epische Berichte über das Berufsleben verzichten, die schnell entstehen, wenn man wahnsinnig kreativ und anders wirken will. Klar und deutlich schreiben, was an der Position gefällt und was an Erfahrung und Kompetenz mitgebracht wird, um die Herausforderung zu meistern.
  4. Auf dem Teppich bleiben. Klar muss man sich gut verkaufen, aber wenn man sich als Berufsanfängerin so präsentiert, als hätte man bereits jahrelange Managementerfahrung, wirkt das eher abschreckend und lächerlich. Also maximal zwei bis drei Hinweise auf die eigenen Kompetenzen geben und mit dem konkreten Nutzen für das Unternehmen verbinden.
  5. Sich zeigen. Oder besser: Sich sympathisch und kompetent in Szene setzen. Persönlichkeit statt Allgemeinplätze. Statt "Ich bin ein Teamplayer und mein Hobby ist Tennis", lieber schreiben: "Als leidenschaftliche Tennisspielerin habe ich Beharrlichkeit und Ausdauer trainiert, die mir auch beruflich immer wieder helfen, schwierige Situationen zu meistern."

Was zeichnet eine gute und junge Mitarbeiterin aus?
Mitdenken, anpacken, neugierig sein! Und dann Verantwortung übernehmen und machen. Fragen stellen. Zeigen, dass man mitdenkt. Laut sprechen, wenn man gefragt wird. Denn Mädchen reden gerne sehr leise. Im Übrigen sind klassische Tugenden wie Pünktlichkeit, gute Umgangsform und angemessene Kleidung (kein bauchfrei) zeitlos wichtig. Und positives Selbstbewusstsein und gesunder Ehrgeiz schaden auch nicht. Auf den Punkt gebracht: Einfach zeigen, dass man eine gute und nicht eine mausgraue Mitarbeiterin sein will!

Nach dem Girls'Day kommt die Ausbildung oder das Studium, meist danach die Familiengründung. Wie bekommen junge Frauen Familie und Karriere unter einen Hut? 
Vor allem, indem sie sich nicht schon jetzt Gedanken darüber machen! Das Thema wird viel zu überhöht und verkrampft gesehen. Jede Frau kann Kinder bekommen und Karriere machen, sie muss es nur wollen. Dafür gibt es keinen todsicheren Plan, genauso wenig wie für eine erfolgreiche Karriere. Mein wichtigster Rat an Frauen: Lasst euch nicht einreden, mit Kindern sei beruflich nichts mehr möglich. Lasst euch auch nicht einreden, als Frau werde man in eher männlichen Berufen nie Chefin. Wir haben eine Bundeskanzlerin und Deutschlands Vorzeige-CEO ist mit Douglas-Chefin Tina Müller derzeit auch eine Frau. Hinzukommt: Der Arbeitsmarkt ist einem großen Wandel unterworfen. Das Standing von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wird wichtiger, weil Arbeitgeber händeringend Fachkräfte suchen. Stellen werden flexibler: von Teilzeit auch in der Führung bis hin zu Remote Work von zu Hause aus. Heute geht vieles, was vor Jahren noch undenkbar war. Deshalb freue ich mich, dass der Girls'Day diese positive Entwicklung in der Arbeitswelt weiter verstärkt.

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